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Gebrauchshunde im Wandel – Ein Interview mit Markus Neutz (Teil 3)

In diesem Teil berichtet Neutz aus erster Hand über seine Arbeit in der Gebrauchshundekommission, die Schulung von Richtern und Helfern sowie seine Sicht auf die optimale Ausbildung von Hunden. Er erklärt, wie Motivation, Technik und Emotion zusammenwirken, warum ein Hund auf dem Prüfungsplatz genau dort stehen sollte, wo er steht, und warum der Unterschied zwischen Sport- und Diensthund oft entscheidend ist.

PK: Liegen Dir bestimmte Themen am Herzen im Rahmen Deiner Tätigkeit in der Gebrauchshundekommission?

MN: Natürlich möchte ich etwas bewirken. Der Sport liegt mir am Herzen und es ist mir ein Anliegen, dass wir den Sport in ein paar Jahren noch machen können. Ein Anliegen von mir ist es, den präferierten Hundetyp in eine etwas andere Richtung zu lenken. Ein bisschen EInfluss hat man über die Prüfungsordnung wohl. Das heißt natürlich nicht, dass der andere Typ Hund weniger Punkte bekommt, aber man kann die Besonderheiten der Arbeit eines Hundetyps herausstellen.

MN: Ein weiteres Thema, das ja auch Dich beschäftigt, ist die Richterschaft. Da würde ich mir schon wünschen, dass wir etwas weiter kommen. Evtl. über Ausbildung.

PK: Ich persönlich sehe garnicht den personellen Aspekt als das größte Problem – wobei einheitliche Schulungen und ein Richterpool sehr wünschenswert sind.  Ich denke, wir bräuchten vor allem erstmal eine Konkretisierung der PO. Das, was in der PO steht, reicht nicht, um als Hundeführer zu wissen, welches Bild oder Bilder ideal sind. Deswegen muss nicht die PO geändert werden; aber es sollte eine Kommentierung, Hinweise zur Prüfungsordnung geben, die von Richtern und Hundeführern erarbeitet werden. Erst im nächsten Schritt können dann die Richter entsprechend geschult werden. Letztlich sollte auch das Feedback der Hundeführer und Zuschauer langfristig bei der Wahl von Richtern miteinbezogen werden über Feedbackbögen.

MN: Was die Verständlichkeit angeht, gebe ich Dir recht. Die erste PO, die ich gelesen habe, hieß noch SchH: da war eigentlich alles recht genau beschrieben. Da konnte auch ein Beginner verstehen, was der Hund leisten soll. Man könnte sicherlich die Übungen ein bisschen besser beschreiben. Aber wenn es an die Emotionen geht, gehen die Vorstellungen bestimmt auseinander. Ich stelle es mir nicht leicht vor, dass man sich einigt hinsichtlich der Beschreibung.

PK: Das ist sicher keine leichte Übung und genau deswegen sollte sowas auch nicht in der PO selber umgesetzt werden. Der ganze Prozess dauert Jahre und wenn man erst in der Praxis feststellt, dass man etwas nicht ideal formuliert hat, kann man wieder Jahre warten bis man die Stelle ausbessern kann.  Ich fände da einen Leitfaden viel sinnvoller: Beispiel Fußarbeit: eine Arbeitsgruppe einigt sich auf 5 bis 6 verschiedene Beispiele von einer vorzüglichen Fußarbeit und die werden für ein Jahr aufgenommen. Genau so wie Beispiele von Stress aufgenommen werden oder eine Gangart, die man nicht sehen möchte (z.B. wenn der Rücken garnicht mehr gerade ist). Diese Bilder sind Beispiele, an denen Hundeführer und Richter sich orientieren können; eine Auslegungshilfe, auf die man sich für eine bestimmte Zeit geeinigt hat; den man aber auch relative unbürokratisch für das kommende Jahr verbessern kann.

PK: Wie sieht es aus mit der Position des Hundes beim Bewachen. Du sagtest schon, dass es Dir nicht gefällt, wenn der Hund auf der offenen Seite ist. Kannst Du das erklären?

MN: Der Hund sollte jederzeit bereit sein, einen Anbiss zu machen. Wir machen nun einmal einen Sport und die Kontaktzone ist stark begrenzt auf den Hetzarm.  Das ist nur logisch, Solange die Helfer die Prüfungsordnung erfüllen. Der Arm des Helfers bleibt vor dem Körper. Sagt Dir olympisches Ringen etwas? Beim Freistil darf man einen Beinangriff machen; beim griechisch-römisch  Stil nicht. Da bringt es mir dann auch nichts, wenn ich mich ständig auf die Beine konzentriere. Einen Kampf kann ich damit nicht gewinnen. Bei uns ist das ähnlich. Wenn sich der Hund auf die offene Seite konzentriert, konzentriert er sich auf einen Bereich, in dem kein PO-konformer Überfall kommen kann. Und für das gewünschte dominate Verhalten: wenn ich etwas etwas beherrschen will, werde ich mich auch sehr frontal zentral vor meinem Gegner platzieren. Auf seine Seite stelle ich mich Sicher nicht.

PK: Hat man das mit der offenen Seite nicht gemacht, damit der Hund nicht den Arm anstarrt und ihm nicht unterstellt wird, ein “Beutekläffer” zu sein?

MN: Alles, was wir machen ist Beute. Es macht kein Hund Schutzdienst mit einer sehr hohen Aggressionsbereitschaft oder Wehrhaftigkeit. Wir bewerten im Prinzip auch nur Beute. Und ich maße mir auch nicht an, Beute- oder Aggressionsbellen zu definieren. Das gewünschte Bild sollte erfüllt sein: druckvoll und zentral, fokussiert und optimalerweise am Helfer ausgerichtet. Bereit, PO-konform anzugreifen. Daraus ergibt sich die Position. Keiner wird das mit dem Maßband überprüfen. Aber die Hunde, die am Ellenbogen vom Hetzarm sitzen, will man nicht sehen. Und für mich ist es auch nichts anderes, wenn der Hund auf der anderen Seite im Eck drin sitzt.

PK: Das ist alles gut nachvollziehbar, wenn Du es erklärst. Aber es wären sicher viele Menschen dankbar, wenn das irgendwo stünde. 

MN: Stimm, sowas könnte man theoretisch in die Wege leiten. Aber wie immer stellt sich die Frage:  wer macht’s,wer hat Lust darauf?  Vielleicht findet man da einmal ein gemeinsames Projekt mit Hundeführern, Sportlern, und Richtern ..

PK: Ich bin überzeugt davon, dass das die Akzeptanz gegenüber dem Richten wieder sehr wachsen lassen würde.  Es hilft fast immer, wenn alle Parteien das Gefühl haben, sie konnten ihre Argumente anbringen. Vielleicht findet man einen Konsens.

MN: Da einmal an einem Tisch zu sitzen und etwas aus der PO zu machen, das würde sicherlich funktionieren, wenn die entsprechenden Leute Lust und Zeit haben.

PK: Du bist beteiligt an der Schulung der VDH-Helfer: was gebt Ihr ihnen mit?

MN: Eine gewisse Gleichmäßigkeit ist in unserem Sport ganz wichtig. Die Helfer müssen sich auf einer  sportlichen Ebene mit dem Hund auseinandersetzen wollen und das überzeugend rüberbringen. Dazu gehört ein gewisser Charakter. Sie müssen natürlich nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen ankommen, aber eine Auseinandersetzung braucht es. Und wir haben versucht die Technik so zu etablieren, wie sie in der PO steht: ein Angriff hat ohne Beutebewegung zu erfolgen, über den Körper in den Hund.  Dazu gehört zum Beispiel auch, wie der Helfer einstellt, und dass er da bereits in einer Schrittstellung steht, um eine Dynamik für den Angriff entwickeln zu können.  In der Vergangenheit war es in Deutschland auch üblich, den Hund seitlich weg zu bedrängen. Die Helfer sollen aber in die Hunde reingehen und nicht schon darüber nachdenken, zu welchem Punkt sie rennen müssen. Wir versuchen also die sportliche Auseinandersetzung wieder mehr zu etablieren.

Ich war nicht Teil der ersten Schulung. Bei der zweiten Schulung waren aber jedenfalls gute Helfer dabei. Teilweise auch ganz junge mit 21, 22 Jahren. Die konnten das schon gut umsetzen.

PK: Inwieweit fehlt die physische Belastung, die mit dem Stockschlag entfallen ist, für diese Auseinandersetzung? Kann der Helfer das durch psychische Belastung oder bestimmte Techniken wirklich ersetzen?

MN: Der Stockschlag hat uns schon etwas gezeigt, das man so nicht ersetzen kann. Ich hätte den Stockschlag gerne zurück – es war und ist ein wichtiges Element des Sports. Aber überprüfen kann ich den Hund auch ohne physische Belastung.

PK: Mit dem Stockschlag konnte man die körperliche Robustheit überprüfen. Das ist so nur noch schwer möglich, oder?

MN:. Gute Hunde wachsen an dem Stockschlag; sie kriegen einen Punch und kommen mit mehr zurück. Ich war früher selber als Helfer ein bisschen gefürchtet und ich musste die Hunde nicht schlagen, damit sie Probleme bekommen haben. Da gibt es schon auch andere Mittel und Wege.

PK: Was macht einen guten Ausbildungshelfer aus im Gegensatz zum Prüfungshelfer?

MN: Die guten Ausbildungshelfer haben die richtigen Emotionen im Schutzdienst. Da zähle ich auch Deinen Mann und Peter dazu. Mir persönlich gefallen Hunde mit etwas höherer Aggression. Speziell bei den Malinois ist die Aggression oft gepaart mit einer anfänglichen Unsicherheit. Ich meine, ich habe ein Gefühl dafür, diese Unsicherheit zu nutzen und dem Hund Selbstvertrauen zu geben. Und das macht vielleicht einen guten Ausbildungshelfer aus. Er erkennt die Hunde, fordert sie, zwängt ihnen keine Technik auf und sucht den Wettkampf.  Wenn der Hund seine Grenzen gesehen hat, lässt ihn der gute Ausbildungshelfer wieder rauskommen. Gleichzeitig ist er aber immer ein glaubhafter Gegner.

PK: In welchem Alter hast Du mit dem hetzen angefangen?

MN: Mit 14/15. Ich konnte mir sehr viele Dinge anschauen. Ich war da immer offen, wir waren viel unterwegs. Damals war es auch normal, dass man, wenn man sich auf der FMBB getroffen hat, zusammen trainiert hat. Das passiert heute nicht mehr so. Die Leute sind in kleinen Gruppen, die untereinander bleiben. Früher konnte man sich mehr verbandsübergreifend austauschen.

PK: Im Beruf bildest Du auch Hunde aus. Wie unterscheidet sich das vom Sport?

MN: Ich bin als Hundesportler zur Polizei gekommen. Aber das Wissen aus dem Sport hat mir nicht viel weiter geholfen. Aber auch da war ich viel unterwegs, habe verschiedene Einheiten kennen gelernt und so konnte ich mir hier und da etwas aneignen. Heute schaue ich mir den Hund an, bevor ich mir eine Theorie anschaue. Gefällt mir der Hund und die Arbeit, beschäftige ich mich mit der Methodik. Im Dienstbereich gibt es Einheiten, die permanent Echteinsätze haben mit Hunden, die funktionieren. Andere haben seit 50 jahren keine Hunde mehr eingesetzt. Es ist im Sport wie im Dienst: eine Trainingsgeschichte muss sich beweisen. Sonst ist sie nicht interessant.

PK: Ist der Diensthund ein aussterbendes Modell?

MN: Ich kann nur von unserem Bundesland reden. In Stuttgart hatten wir zum Beispiel die letzten vier Tage drei Echtbisse. 

PK: Dann scheint Ihr die Hunde zu brauchen.

MN: Wir Hundeführer natürlich. Aber ich denke, das entspricht auch der politischen Meinung. Die Polizei will ihre Hunde; das merkt man auch an den Anforderungszahlen.  Die Einsätze werden immer komplexer. Wir haben zunehmend Messerkriminalität. Und der Hund ist einfach in vielen Bereichen ein hervorragendes Einsatzmittel im Schutzhundebereich.

Natürlich hört man immer wieder, dass es Bereiche gibt, in denen es auch ohne Diensthunde klappt. Aber das sind meistens Behauptungen, keine Statistik dahinter. In Baden-Württemberg wird der Schutzhund jedenfalls sehr häufig genutzt.

PK: Markus, ich danke Dir für das sehr interessante und offene Gespräch!

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