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Zahngesundheit bei Hunden (Teil 1): Wichtige Tipps für Sport- und Alltagsbegleiter

K9andSports: Haben unsere Hunde genauso oft Zahnschmerzen wie wir? Wirken die sich auf die allgemeine Gesundheit aus?

Hunde erleben Zahnschmerzen ebenso intensiv wie Menschen. Sie zeigen ihren Schmerz aber häufig nicht. In der freien Wildbahn gibt es keine Hilfe für Tiere, die Zahnschmerzen haben. Ein Wolf, der Zahnschmerzen zeigt, wird im Rudel bei der Futteraufnahme benachteiligt und erhält nur die Reste, die von den anderen Rudelmitgliedern übrigbleiben.

Entzündliche Erkrankungen der Maulhöhle und Zähne können zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Oft verursachen solche Erkrankungen eine dauerhafte Blutvergiftung, die sich negativ auf andere Organe wie Herz, Nieren und Leber auswirken kann.

Dazu beeinträchtigen Schmerzen die Leistungsfähigkeit. Ein Hund, der unter Zahnschmerzen leidet, kann keine Höchstleistungen erbringen, und sein Griff wird nicht optimal sein. Es ist also aus vielerlei Gründen wichtig, Zahnerkrankungen bei Hunden frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

K9andSports: Was sind die häufigsten Ursachen für eine schlechte Zahngesundheit?

Dazu gehören Zahnfrakturen, die z.B. durch Verletzungen oder Unfälle entstehen. Bei Parodontitis ist das Zahnfleisch entzündet und die Strukturen um die Zähne werden angegriffen. Unbehandelt kann diese Krankheit zu Zahnverlust und schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.

Verhaltensauffälligkeiten wie Cagebiting, bei dessen Hunde auf Gitter oder feste Oberflächen beißen, können zu Zahnschäden führen und sind oft eine Reaktion auf Langeweile, Stress oder Frustration Auch. Tumorerkrankungen der Mundhöhle können für Zahnerkrankungen ursächlich sein und müssen bei der Diagnose in Betracht gezogen werden. Zudem können genetische Faktoren die Anfälligkeit für bestimmte zahnmedizinische Probleme beeinflussen.

K9andSports: Wie können Besitzer vorbeugend handeln, um Zahnschäden zu vermeiden?

Grundsätzlich sollten alle Futtermittel, Spiel- und Trainingsmaterialien so beschaffen sein, dass die Oberfläche mit dem Daumennagel eindrückbar ist. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Zahnfrakturen kommen. Das beste Mittel zur Förderung der Zahngesundheit ist das regelmäßige Zähneputzen. Durch das tägliche Bürsten der Zähne werden Zahnbelag und Zahnstein effektiv entfernt, was zur Vermeidung von Zahnkrankheiten beiträgt. Neben der Ernährung ist das Zähneputzen daher die wichtigste Maßnahme zur Pflege der Zahngesundheit.

K9andSports: Wie genau beeinflusst die Ernährung die Zahngesundheit von Hunden?

Das Futter kann dabei helfen, Zahnsteinbildung und Zahnbelag zu reduzieren oder zu fördern.

Gut fährt man mit Futter, das vom „Veterinary Oral Health Council“ (VOHC) geprüft und anerkannt ist. Diese Futtermittel sind so formuliert, dass sie zur Reduktion von Zahnbelag und Zahnstein beitragen. Trockenfutter und großstückige Rohfütterung sind effektiver in der Unterstützung der Zahngesundheit als Nassfutter, da die Struktur des Futters mechanisch Plaque von den Zähnen abreibt.

Kleinstückige Rohfütterung ist nicht so effektiv bei der Zahnreinigung, da die kleinen Stücke nicht genügend mechanischen Widerstand bieten, um Zahnbelag gründlich abzureiben.

Nassfutter, insbesondere unstrukturiertes Dosenfutter, ist am wenigsten effektiv für die Zahngesundheit. Hier müssen unbedingt andere Maßnahmen zur Zahnpflege getroffen werden.

K9andSports: Wie sieht es mit Kauartikeln aus? Empfehlen Sie bestimmte?

Sicher fährt man, wenn auch die Kauartikel VOHC-getestet sind. Alles an Kauartikeln, was oberflächlich nicht mit dem Daumennagel eindrückbar ist, kann zu Zahnfrakturen führen. Von großen Röhrenknochen, Geweih, Klauen und Hufschuhen rate ich ab. Allgemein bekannt dürfte sein, dass Tennisbälle als Spielzeug oder zur Beschäftigung nicht geeignet sind (Abrasionsgefahr!)

K9andSports: Es gibt eine Vielzahl von Zahnpflegeprodukten auf dem Markt. Welche sind tatsächlich effektiv und welche eher unnötig oder sogar schädlich? Was halten Sie von zahnsteinaufweichenden Zahncremes wie Orozyme? Soll/kann man den Zahnstein selber abkratzen?

Idealerweise sollten auch hier VOHC-geprüfte Produkte verwendet werden. Es gibt viele Präparate auf dem Markt, die wirkungslos sind.

Das Abkratzen von Zahnstein und Belägen ist gefährlich und kann zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen! So kann eine Verletzung der Unterzungengefäße zu schwersten Blutungen führen. Es handelt sich beim Abkratzen von Zahnstein auch nur um Kosmetik, weil der Bereich unter dem Zahnfleisch, der normalerweise besonders pflegebedürftig ist, im Wachzustand nicht erreichbar ist. Auch die gründliche Entfernung bakterieller Plaque ist im Wachzustand nicht möglich.

K9andSports: Verändert sich die Zahngesundheit von Hunden im Laufe des Lebens? Worauf sollten Besitzer bei älteren Sporthunden besonders achten?

Je älter ein Hund desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Zahnerkrankungen. Insbesondere Erkrankungen des Zahnbetts (Parodontitis) müssen als unheilbar angesehen werden und machen eine (Zahn-)lebenslange Behandlung erforderlich

K9andSports: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zahngesundheit eines Hundes und seiner Lebenserwartung?

Ja. Das Vorliegen von entzündlichen Erkrankungen der Maulhöhle kann die statistische Lebenserwartung um bis zu 3 Jahre reduzieren.

K9andSports: Ist Zahnqualität/Substanz genetisch oder rassebedingt? Gibt es Rassen, die anfällig sind für Zahnprobleme? Können Zahnprobleme bei Hunden durch selektive Zucht minimiert werden? Gibt es spezifische genetische Tests, die in der Zucht verwendet werden sollten?

Ja, insbesondere Zahn- und Kieferfehlstellungen führen häufig zu Zahnproblemen. Bei der Zucht muss unbedingt darauf geachtet werden, Tiere mit Fehlstellungen von der Zucht auszuschließen. Bei brachycehphalen Rassen, wie z.B. dem Boxer, kommt es häufig zu Zahnretentionen der P1 im Unterkiefer, was im Folgenden u.U. zu einer Kieferfraktur führen kann. Auch die bei dieser Rasse häufig vorkommende Gingivahyperplasie kann als genetisch bedingt angesehen werden.

K9andSports: Wie unterscheiden sich die Zahnbelastungen bei Haushunden im Vergleich zu Sport-, Dienst-  bzw. Arbeitshunden?

Grundsätzlich ist die Zahnbelastung beispielsweise von Toy-Rassen natürlich geringer als von Sport- oder Diensthunden. Jedoch führt häufig die Verfütterung von ungeeigentem Material (großkalibrige Knochen, Geweih, etc.) bei unseren Haushunden, die nicht im Sport oder Schutzdienst aktiv sind, zu Zahnfrakturen.

K9andSports: Welche Anzeichen sollten Hundesportler oder Diensthundeführer bei ihren Hunden beachten, um Zahnprobleme frühzeitig zu erkennen? Können Zahnerkrankungen die Leistung eines Hundes im Sport/Dienst beeinträchtigen?

Leider zeigen unsere Haushunde Zahnschmerzen nur sehr subtil. In der freien Wildbahn gibt es keinen Zahnarzt und deshalb beißen unsere Hunde bei Zahnschmerzen die Zähne zusammen und fressen solange, bis der Schmerz so stark ist, dass sie nicht mehr leben wollen und schließlich verhungern. Häufige Symptome sind: geringere Aktivität, einseitiges Kauen, Zahnverlust/Zahnlockerung, lockerer Griff, Speicheln, Blutung aus dem Fang, Kratzen am Kopf bzw. an der Schnauze, Kopfscheue, Maulgeruch, hastiges Fressen und Verhaltensänderungen.

K9andSports: Macht es Sinn, die Zähne seines Hundes regelmäßig von einem Tierarzt kontrollieren zu lassen? Wie oft sollten (sportlich aktive) Hunde zu zahnärztlichen Untersuchungen gebracht werden? Gibt es spezielle Untersuchungen, die Sie für Sport- und Diensthunde empfehlen?

Hunde sollten regelmäßig mindestens 1x jährlich einem Tierzahnarzt vorgestellt werden. Sofort zum Zahnarzt sollte man natürlich, wenn ein Zahn abgebrochen ist.  Maulgeruch ist oft ein Hinweis auf eine eitrige Entzündung im Bereich der Maulhöhle und ist abzuklären. Auch Blutungen aus dem Fang, Zahnfleischentzündungen, übermäßiges Speicheln, Kratzen an der Schnauze etc. sollten zum Anlass genommen werden, einen Tierzahnarzt aufzusuchen. Auch dem Verlust eines Zahnes sollte durch einen Tierzahnarzt nachgegangen werden.

K9andSports: Wenn nun doch eine Zahnverletzung aufgetreten ist: Gibt es Sofortmaßnahmen, die Besitzer ergreifen können, bevor sie zum Tierarzt gehen?

Wird beispielsweise ein Zahn im ganzen „ausgeschlagen“, so sollte die Wurzeloberfläche des Zahnes möglichst nicht berührt werden und der Zahn in kalter Milch (samt Hund J) zum Tierzahnarzt transportiert werden. Oft ist es möglich, den Zahn zeitnah zu reimplantieren und nach Stabilisierung so zu erhalten. In der Regel muss jedoch im Anschluss eine Wurzelkanalbehandlung zum Zahnerhalt durchgeführt werden.

Nur ein Fachmann kann bei Zahnfrakturen entscheiden, ob und welche Behandlung notwendig ist. Besonders dringlich ist es bei Zahnfrakturen mit Blutung bzw. Eröffnung der Pulpenhöhle. Ein solcher Zahn kann entweder mittels Wurzelkanalbehandlung erhalten werden oder muss extrahiert werden.

K9andSports: Gibt es Verletzungen, die keiner Behandlung bedürfen oder wo eine Behandlung sogar nachteilig sein kann?

Rein kosmetische Behandlungen sind abzulehnen und dürfen übrigens auch nicht durchgeführt werden. Auch die Zahnreinigung beim Hundefriseur oder Laienbehandler ist abzulehnen. Eine reine Zahnsteinentfernung ohne fundierte Untersuchung und selektive Politur sowie anschließender Maulhöhlendesinfektion kann sicherlich als „Abzocke“ angesehen werden.

K9andSports: Welche abschließenden Empfehlungen möchten Sie Hundesportlern bezüglich der Zahngesundheit ihrer Hunde mit auf den Weg geben?

Wir erleben regelmäßig, dass Hunde nach einer notwendigen Zahnbehandlung wesentlich aktiver sind und natürlich auch im Schutzdienst oder auf dem Hundeplatz bessere Leistungen bringen. Meist zeigt sich erst nach der Zahnbehandlung, wie stark Zahnschmerzen das Allgemeinbefinden bzw. die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Scheuen Sie also nicht den Weg zum Zahnarzt!

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Dr. Martin Florian Buck ist 2005 in eigener Praxis in Rottenburg an der Laaber. Dr. Buck bietet das komplette Spektrum der Zahnmedizin und Kieferchirurgie an, d.h. neben der Gesunderhaltung der Maulhöhle und der Zähne auch Diagnostik und Behandlung von Zahnfrakturen (Zahnerhalt mittels vitaler Pulpentherapie, Wurzelkanalbehandlung, Wurzelspitzenresektion, Prothetik, einfache und chirurgisch Extraktionen), Parodontalbehandlungen, kieferorthopädische Behandlungen; Kieferchirurgie (Behandlung von Kieferfrakturen, Entfernung von Tumoren, Behandlung von Kiefergelenkserkrankungen, Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen, Zahnfleischchirurgie) sowie die Behandlung der felinen chronischen Gingivostomatitis.

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