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Einblick in die Hundezucht: Gesundheit, Wesen und Selektion – Ein Interview mit Astrid Hübner (Teil 1)

Malinois Diversity ist ein Projekt einer engagierten Gruppe von Belgier-Liebhabern, welches sich der Erforschung und Förderung der Gesundheit aus verschiedenen Perspektiven widmet. In unserem Interview teilt Astrid ihre Einblicke und Erfahrungen zum Thema Hundezucht. 

K9andSports: Wie kam es dazu, dass du dich für die Hundezucht entschieden hast?

Astrid: Das Interesse an der Hundezucht begleitete mich schon seit langem, jedoch fehlte mir beruflich die Zeit und Gelegenheit, diesem Bereich nachzugehen. Später lernte ich meinen jetzigen Partner kennen. Er und seine Familie waren bereits in der Zucht tätig und hatten alle notwendigen Gegebenheiten. Sie hatten bereits einen Zwinger angemeldet und einige Jahre Erfahrung in der Zucht. Als sich die Gelegenheit ergab, erwarben wir eine Hündin und ich begann auch aktiv in das Zuchtgeschehen einzusteigen.

K9andSports: Wie heißt der Zwinger?

Astrid: Unser Zwinger heißt „des guerriers d´Hades“.

K9andSports: Was sind deiner Meinung nach die erforderlichen Voraussetzungen, damit ein Hund zur Zucht geeignet ist?

Astrid: Ein Hund sollte alle für seine Rasse relevanten Gesundheitstests erfüllen, bevor er zur Zucht zugelassen wird. Ein Problem hierbei ist, dass regelmäßig neue Tests entwickelt werden, deren Einbindung in die Zuchtordnungen jedoch oft lange dauert. Hier ist der Züchter gefragt, sich über alle relevanten Erkrankungen zu informieren.

Es kommt vor, dass Jahre vergehen, ohne dass ein Gen- oder Gesundheitstest zur Pflicht wird, selbst wenn er bereits verfügbar ist, da hierfür Anträge auf Änderung der Zuchtordnung gestellt werden müssen. Zum Beispiel wurde dieses Jahr zur JHV 2024 kein Antrag für den Ca1 Gen-Test beim DMC gestellt, daher wird dieser auch nicht verpflichtend sein. Dieser Defekt löst Ataxie bei Malinois Welpen aus.

Der Lendenübergangswirbel wird zwar seit einigen Jahren mit ausgewertet, aber es gibt von Seiten der Verbände noch keine Regelung zum Zuchteinsatz, obwohl von einer Erblichkeit auszugehen ist. Die Frage ist, ob man mit einem LÜW3 Hund züchten muss, nur weil es nicht verboten ist.

Dies lässt sich auf Augen-, Herz- und Autoimmunerkrankungen sowie Epilepsie übertragen.

K9andSports: Was bedeutet Träger bei einem Gen-Test?

Astrid: Alle bekannten Gendefekte beim Malinois vererben sich rezessiv. Das heißt, dass der Hund nur krank wird, wenn er zwei defekte Allele erbt. Dies kann verhindert werden, indem man nur frei x frei oder Träger x frei verpaart. Träger bedeutet, dass ein Hund zwar ein defektes Allel trägt, aber auch ein gesundes und somit nicht selbst krank ist. Träger sollten aber auch nicht grundsätzlich aus der Zucht ausgeschlossen werden, um den Genpool nicht unnötig zu verkleinern.

K9andSports: Wie können Züchter sicherstellen, dass sie alle relevanten Gen-Tests abdecken, insbesondere wenn die Zuchtordnungen möglicherweise nicht auf dem neuesten Stand sind?

Astrid: Es gibt die Möglichkeit, direkt beim Labor nachzufragen, ob alle relevanten Gen-Tests für die jeweilige Rasse abgedeckt sind oder ob weitere Tests empfohlen werden. Bezüglich des Belgischen Schäferhundes und bald auch des Deutschen und Holländischen Schäferhundes, kann man sich auch auf unserer Projektseite (www.belgian-shepherd.de) informieren, auf der wir alle relevanten Informationen veröffentlichen.

K9andSports: Welche anderen Aspekte für die Hundezucht erachtest du neben der Gesundheit für relevant?

Astrid: Das Grundwesen des Hundes ist ein bedeutender Faktor. Zusätzlich spielen die persönlichen Zuchtziele eine entscheidende Rolle.

K9andSports: Gibt es deiner Meinung nach Wesensmerkmale, die bei der Zucht von Hunden vermieden werden sollten?

Astrid: Hunde, die hyperaggressiv oder extrem ängstlich sind, sollten vermieden werden. Generell alles was den Alltag mit einem Tier erheblich einschränkt. Ein Hund, der blindlings auf alles reagiert, gehört ebenfalls nicht in die Zucht.

K9andSports: Was ist mit Geräuschempfindlichkeit und was mit Umweltverhalten?

Astrid: Die Empfindlichkeit gegenüber Schüssen oder Geräuschen wäre ein weiterer Faktor, den ich bei der Selektion berücksichtigen würde, da dies vererblich ist. Bei Hyperängstlichkeit oder Hyperaggression spielt das Umweltverhalten auch immer eine Rolle. Ein sehr stabiler Hund wird sich nicht sonderlich fürchten, wenn es irgendwo scheppert, oder er wird sich schnell von einem Schreck erholen. Im Gegensatz dazu wird ein hyperängstlicher Hund sich möglicherweise längere Zeit nicht beruhigen können.

K9andSports: Wir sprechen ja jetzt de facto von Vererbbarkeit von Wesensmerkmalen. Macht es Sinn, in einem Rasseverband die Wesensmerkmale zu überprüfen?

Astrid: Für mich als Züchter ist es sinnvoll, selektiv vorzugehen. Ich wähle nicht einfach irgendeinen Hund zur Zucht aus; meine Ansprüche sind hoch und müssen erfüllt werden. Aber meine persönlichen Zuchtziele decken sich nicht unbedingt mit denen anderer. Züchtern sollte meiner Meinung nach Freiraum gewährt werden, um ihre eigenen Entscheidungen treffen und eigene Zuchtziele verfolgen zu können. Das heißt für mich: Überprüfen ja, aber so wenig Hunde wie möglich aus der Zucht ausschließen.

K9andSports: Und wie können Wesensmerkmale sinnvoll überprüft werden?

Astrid: Ich halte mich in diesem Bereich wirklich nicht für einen Experten, der darüber eine Aussage treffen kann. Was ich weiß ist, dass Wesensmerkmale nicht nur durch die Gene beeinflusst werden, sondern im Wesentlichen auch durch Umwelteinflüsse geprägt werden. Weiter kenne ich Hunde, die sich auf Prüfungen Schusssicher gezeigt haben, aber Silvester nur mit Medikamenten überstehen. Das alles gestaltet es schwierig, einen Hund an einem Tag, an einer Überprüfung wie einer ZTP/Körung/Wesensprüfung richtig einzuschätzen – und es sagt am Ende nichts darüber aus, was der Hund an seine Nachkommen weitervererbt.  Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass ich gegen Überprüfungen bin. Es ist aber am Ende nur ein Eindruck unter vielen, die ich mir als Züchter von einem Zuchthund machen sollte. Den besten Einblick erhält man, wenn man die Gelegenheit hat, den Hund im Alltag und Training zu erleben und im optimalen Fall auch seine Nachzucht kennenlernen kann. Da dies aber nicht immer gewährleistet ist, ist eine Überprüfung im Verband die zweitbeste Lösung.

K9andSports: Es wird gelegentlich behauptet, dass der Malinois im Allgemeinen schlechter geworden ist. Ist das etwas, das du bestätigen kannst, oder ist das für dich nur Gerede, dass es “immer schon” gab?

Astrid: Ich sehe immer noch gute Malis. So ist es nicht. Allerdings glaube ich, dass die aktuelle IGP-PO als Grundlage für die Selektion tendenziell zu einem weicheren, reaktivem Hundetyp führt. Es erleichtert die Arbeit im IGP, wenn der Hund mit wenig Reizen zu motivieren ist, insbesondere wenn es um Unterordnung geht.

K9andSports: Ist das für dich im Belgisch Ring oder Französisch Ring anders?

Astrid: Jedes Programm selektiert unterschiedliche Hunde und jede Ringart hat einen anderen Fokus.

Belgien: In Belgien gibt es unterschiedliche Ringprogramme. Belgium Ring des St. Hubert (FCI-Mitglied), NVBK Ring und der Ring des Kennel Club (der KC spielt heute kaum noch eine Rolle).

Alle Ringprogramme in Belgien haben gemeinsam, dass der Vollschutzanzug Beißzonen hat, in die der Hund beißen sollte. Es wird viel Wert auf Griffverhalten gelegt und die Belastung findet durch viel Umweltablenkung und Accessoires statt. Dem Hundeführer sind viele Hilfen gestattet und der Hund hat recht viel Freiheit in diesen Programmen. Der Fokus liegt drauf, die Aufgabe zu bewältigen und nicht nur auf der Dressur.

Frankreich: In Frankreich gibt es zwei nationale Ringprogramm, Ring und Campagne. Der Ring findet auf dem Hundeplatz statt, während Campagne im Wald und Feld abgehalten wird und zum Beispiel auch einen Apport aus dem Wasser enthält.

Im französischen Ring darf/sollte der Hund überall im Costume (Vollschutzanzug) beißen. Der Fokus des Helfers liegt darauf, dem Hund den Anbiss zu verwehren und ihn, wenn er angebissen hat durch Belastung wieder davon abzubringen. Das Costume des Helfers ist so dünn wie möglich, damit er entsprechend beweglich ist, entsprechend wird dem Hund auch wenig Möglichkeit gegeben, den Griff vollzumachen oder zu verbessern. Eine Bewertung des Griffverhaltens ist hier also nicht möglich. Es wird sehr viel Wert auf ein sekundenschnelles Auslassen gelegt.

K9andSports: Zum Beispiel ist im IGP der Stockschlag verloren gegangen. Glaubst du, dass dies Auswirkungen auf die Selektion von Hunden hat? Wäre es besser für den Gebrauchshund, den Stockschlag beizubehalten?

Astrid: Ja, meiner Meinung nach wäre es besser, den Stockschlag beizubehalten. Ich sehe das Spiel mit dem Helfer als eine körperliche Auseinandersetzung, die wichtig ist. Ohne die Belastung vom Helfer kann ich nicht erkennen, ob ein Hund bereit bzw. Spaß daran hat, sich körperlich auseinanderzusetzen. Wobei Belastung meiner Meinung nach der falsche Ausdruck dafür ist. (Mein) Zuchtziel ist, dass der Hund Stockschläge nicht als Belastung wahrnimmt, sondern als Teil einer Auseinandersetzung, die ihm Freude bereitet. 

K9andSports: Du hast erwähnt, dass die IGP-PO zu einem weicheren oder führerorientierteren Hund führt. Ist die aktuelle Selektion deiner Meinung nach ausreichend? Siehst du eine Notwendigkeit für zusätzliche Zuchtselektionen durch Rasseverbände oder was ist deine Meinung dazu?

Astrid: Um eine Vielzahl von Züchtern in einem Verband zu fördern, ist es wichtig, ihre individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Auch wenn mir persönlich ein Hund nicht zusagt und ich ihn daher nicht zur Zucht einsetzen würde, bedeutet das nicht, dass es die Rasse beeinträchtigen würde, wenn jemand anders, wie zum Beispiel Lieschen Müller, diesen Hund zur Zucht verwendet.

Der Züchter sollte hohe Standards für sein persönliches Zuchtziel festlegen. Jedoch sollte der Rassezuchtverband so wenig wie möglich einschränken.

Wenn jemand beispielsweise einen angenehmen Familienhund züchten möchte, der dennoch sportlich ist, da würde ich nicht sagen, weil der Hund im Gebrauchshundesport kein Überflieger ist, darf er nicht in die Zucht.

Wie oben schon beschrieben, heißt es im Umkehrschluss aber nicht, dass man Züchtern keine Möglichkeit geben sollte, ihren Hund außerhalb von Sportprüfungen vorzustellen, solange dies nicht zu einem unnötigen Zuchtausschluss führt.
Ein Hund, der gesund ist, der dem Standard entspricht und keine groben Wesensmängel hat, der soll auch die Möglichkeit haben, in die Zucht zu gelangen.

Astrid Hübner ist Gründerin von Malinois Diversity. Seit 1999 beschäftigt sie sich intensiv mit der Rasse Malinois. Ihre Leidenschaft führte sie von IPO und FH bis zum Mondioring und französischen Ring. Seit 2014 lebt sie in Frankreich mit ihrem Mann, ihren Kindern und einem Rudel Malinois. Dort betreibt sie ihre Zucht unter dem Namen “Elevage des guerriers d´Hades”.

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